DER KOALITIONSVERTRAG IST NICHT 1,5‑GRAD-KOMPATIBEL
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung steht. Nachdem dieser von den drei beteiligten Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bestätigt wurde, soll Olaf Scholz nun am 8.12.2021 zum neuen Bundeskanzler gewählt werden. Danach wird die sogenannte Ampel-Koalition ihre Arbeit aufnehmen.
Nachdem Fridays for Future sich bereits vor der Bundestagswahl für mehr Klimaschutz in der neuen Legislaturperiode eingesetzt hatte, verfolgten die Aktivist*innen auch die Koalitionsverhandlungen mit regem Interesse. „In den nächsten vier Jahren wird sich entscheiden, ob Deutschland seinen Beitrag dazu leisten wird, die Erderwärmung auf 1,5°C zu beschränken, oder nicht. In den darauf folgenden Legislaturperioden kann das Ruder bei vorheriger Untätigkeit nicht mehr herumgerissen werden“ erklärt Judith Hoelscher, Aktivistin bei Fridays for Future. „Deshalb waren wir sehr gespannt auf die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen und haben diese kritisch begleitet. Leider muss man sagen, dass die Ziele der neuen Regierung nicht ausreichen, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Sicherlich sind sie deutlich engagierter als die Vorhaben der letzten Koalition aus CDU und SPD, aber wenn Robert Habeck sagt, mit dem Koalitionsvertrag wäre man auf dem 1,5‑Grad-Pfad, dann ist das schlicht und ergreifend falsch.“
Eine Studie der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft unter Leitung des Professors Volker Quaschning hatte gezeigt, dass die geplanten Maßnahmen der Ampel zwar für ein Erreichen der Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 reichen könnten, wie die Regierung es sich zum Ziel gesetzt hat, aber nicht für die Einhaltung des Pariser Abkommens. Deutlich engagiertere Pläne im Verkehrssektor, im Bereich der erneuerbaren Energien, ein entschiedenerer Abbau klimaschädlicher Subventionen und weitere Maßnahmen wären nötig, damit dieses eingehalten werden könnte. Bis spätestens 2035 müsste Deutschland klimaneutral sein, um seinen Beitrag zur Einhaltung der 1,5‑Grad-Grenze zu leisten. Vincent Heitzer, Mitorganisator der Bewegung macht deutlich: „Wir haben uns mehr erhofft. Zwar begrüßen wir, dass kleinere Veränderungen zur vorherigen Regierung durch den jahrelangen Druck von der Straße möglich geworden sind, dennoch gibt es zahlreiche Schwachstellen im Koalitionsvertrag.“ Weiter erklärt er: „Bereits die Tatsache, dass die Koalition weiterhin an dem Ziel festhalten will, dass Deutschland erst im Jahr 2045 klimaneutral wird, obwohl zahlreiche renommierte Wissenschaftler*innen errechnet haben, dass dies nicht mit dem Pariser Abkommen vereinbar ist, zeigt uns, dass scheinbar einige der Wahlkampfversprechen schon jetzt in Vergessenheit geraten sind. Noch im Wahlkampf hatten sich alle demokratischen Parteien ausdrücklich zum Pariser Klimaabkommen bekannt. Und mit der Formulierung, dass der Kohleausstieg „idealerweise“ bereits 2030 erfolgen solle, hat die neue Regierung sich ein Schlupfloch gebaut, beizeiten wieder zurückzurudern und länger klimaschädliche Kohle zu fördern.” Aktivistin Sophia Kegel ergänzt: “In den vergangenen Wochen haben wir gesehen, dass die Ampel auch auf die Coronakrise nicht entschieden genug reagiert und wissenschaftliche Erkenntnisse in politisches Handeln gegossen hat — vor dem Hintergrund dieser politischen Präferenzlage, die weiterhin den kurzfristigen wirtschaftlichen Profit von wenigen über den Schutz von Mensch und Umwelt stellt, erwarten wir weiterhin nicht, dass die Politik aus sich selbst heraus die Klimakatastrophe eindämmen kann und will. Spätestens jetzt ist klar: auch unter der neuen Regierung müssen und werden wir weiterhin für die Einhaltung des 1.5°C‑Ziels kämpfen.“